Quevedos langer Weg nach Hause

Ich möchte hier die Geschichte des PRE-Wallaches Quevedo mit euch teilen, der als junges Verkaufspferd aus Spanien zu mir kam. Er ist heute ein zufriedenes Reitpferd und zuverlässiger Partner an der Seite seiner Besitzerin. Quevedos Weg schildert sie aus ihrer Perspektive, von mir kommentiert. Wir möchten mit seiner Geschichte aufmerksam machen auf die Situation vieler Verkaufspferde, die für das lukrative Geschäft oft im Schnellverfahren angeritten und aufgefüttert werden. Nicht selten geraten sie dabei physisch und psychisch „unter die Räder“.

Das PRE-Gestüt in Madrid hatte ich mir bereits bei einem Besuch im März 2016 angesehen und mir gefielen die eher deutschen und ruhigen Gepflogenheiten, sowie die artgerechte Aufzucht der Jungpferde und ihre realistische und ruhige Art der Ausbildung. Daher entschied ich mich bei meinem zweiten Besuch Ende Mai 2016 für den 3-jährigen, gerade vor kurzem erst aufgestallten und anlongierten Hengst Quevedo, auch genannt „Vedo“. Er war von allen der schmalste und kleinste, eigentlich am Zuchtziel vorbei. Die meisten Pferde werden dort auf groß und ganggewaltig gezüchtet. Ich hatte ihn vorher auf einem Video gesehen und studiert, allerdings wurde er dort sehr „spanisch“ dargestellt: ein rumgescheuchtes Jungpferd mit weitem Austritt für möglichst spektakuläres Gestrampel….na ja. Vedo bestach mit seiner Schönheit und den großen Knopfaugen und war sehr aufmerksam seiner Umwelt gegenüber. Menschen beäugte er erst misstrauisch, gab man ihm jedoch ein paar Minuten Zeit, hatte man das Gefühl, er würde einem am liebsten gleich in die Tasche krabbeln. Man konnte schon ahnen, wie hochsensibel er ist.

Nach einem halben Tag Überlegung wurde die Ankaufsuntersuchung von einem von mir bestellten deutschen Tierarzt durchgeführt. Alles prima, nur die beiden rechten Hufe waren leicht nach außen gedreht. Auch die Bedenken der Züchterin, es könnten keine Beugeproben vorgenommen werden, da er sich noch nicht die Hufe geben ließe, erwiesen sich als falsch. Nachdem der Tierarzt Vedo sehr vorsichtig zeigte, was wir von ihm wollten, begriff er sehr schnell und so konnten alle Beine sogar sicherheitshalber zweimal durchgebeugt und geröngt werden. 3-2-1…bezahlt und meiner! Grins!

Nach Gesprächen mit dem Ausbilder entschied ich mich, Vedo in Spanien ausbilden zu lassen und hatte dabei auch ein sehr gutes Gefühl. Wir vereinbarten, dass ich regelmäßig Bilder und Videos von seinen Fortschritten bekommen sollte. Dann hieß es erst einmal Abschied nehmen bis August.

Mitte September besuchte ich mit einer Freundin Vedo erneut in Madrid.  Videos erhielt ich bis dahin keine, auch nicht auf Anfrage. Leider gab es auch Entwicklungen, die mich nicht gerade beruhigten. So hatte zum Beispiel der für Vedo vorgesehene Ausbilder kurz nach Kauf gekündigt und sich selbstständig gemacht. Der Ersatzausbilder, angeblich auch sehr fähig und den hohen Ansprüchen des Gestütes gewachsen, brach sich kurz nach Dienstantritt bei einem Sturz von einem der Jungpferde das Bein und fiel für längere Zeit aus. Dann sprang die deutsche Freundin des ersten Ausbilders am Hofe ein und nahm sich der Ausbildung von Vedo an, den sie seit seiner Geburt kannte und liebgewonnen hatte. Zuerst glaubte ich, das sei vielleicht ein glücklicher Zustand: eine deutsche leichte erfahrene Frau, mit mehr Fingerspitzengefühl wie die „feurigen Spanier“. Bis dahin erhielt ich auf Nachfragen immer nur die Auskunft, Vedo hätte noch nicht genug Selbstvertrauen und könne daher noch nicht geritten werden.

Doch was ich dann bei meinem Besuch vorfand, schockierte mich sehr. Als erstes stellte ich fest, dass Vedo mit Hafer aufgefüttert war und somit runder und „fertiger“ aussah als ein rohes 3-jähriges Pferd in diesem Alter eigentlich aussehen sollte.  Der Unterhals war stark ausgeprägt. Er trug ein Knotenhalfter in der Box. Dazu hatte er noch nicht gelernt, die Hufe zu geben, ihm wurden aber dafür in der Zwischenzeit ohne mein Einverständnis oder Kenntnis vorne Eisen aufgenagelt, angeblich, weil er fühlig wäre. Ebenso trug er nur mit Nasenbremse angebrachte Bandagen, damit er schick aussieht, als er mir erneut an der Longe vorgestellt wurde. Auch dass der spanische Stallknecht das Abspritzen mit Wasser übernahm und dabei nicht zimperlich umging, obwohl das Pferd schon in den Seilen hing, missfiel mir.

Die Liste des Elends ging weiter: ein nicht passender Sattel, ein viel zu kurz verschnallter Halsverlängerer, ein zu dickes Plastik-Gebiss in dem kleinen Mäulchen und dazu noch das viel zu hohe Tempo beim Ablongieren, das nach meinem Geschmack auch viel zu lange dauerte. Dann setzte sich die „Ausbilderin“ an der Longe im Roundpen drauf und das Gestrample und Gerenne ging mit viel zu kurzem Zügel, eingerolltem Hals und klopfendem Schenkel weiter – es war sein viertes Mal unter einem Reiter. Mir war schlecht. Ich schaute meine Freundin an und war sprachlos. Ich hätte heulen können, denn so hatte ich mir das alles nicht vorgestellt. Lediglich der Umgang von der Ausbilderin während des Putzens und Sattelns war auffällig ruhig gestaltet. Es wurde so viel Hafer gefüttert, dass die Krippe voll war und Vedo mehrfach gar nicht aufgegessen hatte.

Plan B musste her und das schnell! Ich entschied mich noch während meines 2-tägigen Aufenthaltes, Vedo schnellstmöglich nach Deutschland zu holen, um ihm dort eine vernünftige Ausbildung zukommen zu lassen. Alleine kann ich das nicht, auch fehlte mir die Zeit, da wir mitten im Hausbau steckten. Das war klar. Verzweifelt rief ich die Klassikausbilderin Anja Beran an, die für mich der Inbegriff für absolut harmonisches Reiten und eine pferdegerechte Ausbildung darstellt. Sie zeigte sich sehr verständnisvoll, jedoch war ihre Aussage niederschmetternd: 1 ½ Jahre Warteliste! Sie rief mich im Laufe des Tages noch einmal an und empfahl mir Christine Schmiedel, der sie vollstes Vertrauen schenkt. Ich musste nicht lange überlegen, habe mir Christine und den Stall auch nicht vorher angesehen. Wir haben telefoniert und zum Glück war gerade ein Plätzchen frei. Mein Bauch sagte mir sofort, das ist die Lösung, nach der ich gesucht hatte. Einziger Wehmutstropfen: die Entfernung von 370 km! Geplant war zu diesem Zeitpunkt eine Ausbildungsdauer bis ca. Mai 2017…

Ich organisierte einen Transport und so kam Vedo am 3. November 2016 mitten in der Nacht bei Christine an. Leider hatte er sich auf der Reise mit zwei Übernachtungsstopps eine Infektion zugezogen und erreichte uns in schlechtem Zustand. Eine am gleichen Tag genommene Blutprobe ergab katastrophale Selenwerte, die viel zu hoch waren.  Auch ein Berühren an Bauch oder Hinterhand, besonders der linken Flanken, war nahezu unmöglich.

Christine Schmiedel: Wenn ich die Box betrat, drückte er sich in die Ecke. Wenn man versuchte ihn anzufassen, zog er extrem den Hintern ein und machte einen starken Katzenbuckel. Hat man trotzdem versucht ihn zu streicheln, begannen die Flanken zu zittern.

Nach Rücksprache mit meiner Heilpraktikerin stellten wir als erstes das Futter von Hafer auf getreidefreies Futter und Kräuter um, um Vedos Darm zu sanieren und die Leber zu entgiften. Der Kot roch stark sauer. Dank Christines Beobachtungen, Berichten und unermüdlichem Einsatz konnte Vedo langsam wieder in einen besseren Zustand gebracht werden.

Ich besuchte Vedo regelmäßig ca. alle 2 Monate, um an seinen Fortschritten teilhaben zu können. Sehr stark fiel seine Anspannung auf alles Neue auf, was auf seinen schlechten innerlichen Zustand hinwies. Auf der Anlage mit täglichem Paddockgang fühlte sich Vedo jedoch sichtlich wohl und kam zur Ruhe. Auch die immer wieder mal wechselnden Personen, die ihn raus zum Paddock brachten, machten ihm zunehmend weniger aus. Vedo wurde osteopathisch und chiropraktisch behandelt, die Zähne kontrolliert und korrigiert. Auch ein reiterlicher „Reset“ war nötig. Mit viel Ruhe, Konsequenz und Verstand hat Christine mit Vedo noch einmal ganz von vorne bei den Basics begonnen.

Das Ende der geplanten Ausbildungszeit näherte sich und Vedo war immer noch nicht so weit, einen erneuten Stallwechsel anzutreten und seine Aufgaben als junges Reitpferd anzutreten.  Er ging immer noch an der Longe. Aber unser Einzug in das neue Haus verzögerte sich ebenfalls. Ich blieb gelassen, denn ich wusste zu jedem Zeitpunkt, dass Vedo bei Christine in den allerbesten Händen ist. So bekam er Verlängerung bis Oktober 2017.

Christine Schmiedel: Wir haben Vedo „neu“ angeritten. Erst wurde er von mir in Ruhe, ohne Trense und Sattel, anlongiert. Der junge Wallach war nicht in der Lage, den Hals lang zu machen und die Nase vor die Senkrechte zu nehmen. Er rannte davon und hielt den Hals so, als ob wir Ausbinder eingeschnallt hätten. In dieser Haltung war er festgestellt. Auch die Longierpeitsche akzeptierte er nicht als Hilfe sondern lief panisch davon. Nach einigen Tagen fing er an sich zu strecken und lief ruhiger. Jetzt war es an der Zeit, ihn wieder an die Trense zu gewöhnen. Ich habe ihm das Kopfstück angepasst und wieder mit Kappzaum longiert. Es war erschreckend zu sehen, dass Vedo nur durch das Gewicht des Gebisses wieder in die Haltung ging, in der er früher ausgebunden wurde. Es hat 10 Minuten gedauert, bis er merkte, dass er ja nicht festgeschnallt ist und den Hals strecken kann! Als auch das kein Problem war, fingen wir mit dem Satteln an. Vedo zeigte auch da Angstzustände. Er blieb nicht stehen und zog wieder extrem die Hinterhand ein. Erst nach 6 Monaten konnten wir ihn nahezu angstfrei satteln.

Erst, als er ruhig und gelassen mit Trense und Sattel an der Longe ging, fingen wir an aufzusteigen. Da Vedo nach wie vor in einem schlechten körperlichen und psychischen Zustand war, saßen wir immer nur ganz kurz im Sattel. Ganz oft stiegen wir nur auf und wieder ab, je nach seiner Tagesverfassung. Wir erarbeiteten uns an der Longe ganz langsam den Schritt, Trab und Galopp. Vedo entzog sich immer sehr stark nach unten und neigte zum Klemmen und damit auch zum Bocken. Es war enorm wichtig, ihn an der Longe zu arbeiten. Er musste immer wieder nach vorne geschickt werden, während der Reiter versuchte seinen Kopf anzuheben, damit das Genick den höchsten Punkt bildet. Nach ca. 4-monatiger Arbeit war er relativ stabil und gut an den vorwärtstreibenden Hilfen. Leider aber psychisch immer noch nicht in der Lage, ohne Longenführer frei unter dem Reiter zu gehen. In den folgenden 2 Monaten konnte Vedo Muskulatur und Vertrauen zum Reiter aufbauen. 

Erst jetzt konnten wir das junge Pferd frei reiten, obwohl wir ihn noch ein paar Tage von unten begleitet haben, um ihm Sicherheit zu geben. Nun gingen wir dazu über, ihn über Seitengänge wie Schenkelweichen bzw. Konterschulterherein, später auch im Schulterherein und Travers zu gymnastizieren.

Von Tag zu Tag wurde Vedo selbstbewusster. Nicht nur in der Arbeit unter dem Sattel, sondern auch im Umgang mit Menschen. Besucher durften ihn plötzlich anfassen und die Paddockdecke ließ er sich auch anziehen. Vedo entwickelte sich zu einem überaus braven und leistungsbereiten Partner, mit dem ich jeden Tag gerne in die Halle ging, um mit ihm zu arbeiten. 

 

Am 9. Oktober 2017 war es endlich soweit: Ich fuhr ein letztes Mal nach Hof für knapp eine Woche, um mit Vedo unter Christines Anleitung zusammenwachsen zu können. Ich staunte, wie gelassen er auf alles reagiert, mittlerweile konnte er auch eine Decke tragen. Auch mich als fremden Reiter hat er gelassen „ertragen“ und seine Sache sehr souverän gemeistert. Er hat mir jeden Tag ein Lächeln auf die Lippen gezaubert und ich bin Christine unendlich dankbar für ihre phantastische Arbeit. Vedo wäre in vielen anderen Ausbildungsställen zugrunde gegangen. Christine hat ihm die Zeit gegeben, die er brauchte, um stabil zu werden, Vertrauen zu fassen und nun ein verlässlicher Freizeitpartner zu werden.

Wer auf ein schnelles Ergebnis aus ist, ist bei Christine an der falschen Adresse. Damit ein Pferd eine solche Basis erhält, braucht es Zeit. Und diese Zeit geben uns die Pferde vor, nicht wir legen das Zeitfenster fest, wann ein Pferd welche Lektion können muss. Die einen brauchen weniger, andere wie Vedo brauchen eine Menge Zeit dafür.

Vedo ist im September 2017 in seinen neuen Stall nach Bensheim umgezogen und fühlt sich dort sehr wohl. Jeder ist erstaunt, wie cool er reagiert und kann kaum glauben, dass er erst 4 Jahre alt ist und erst 4 Monate frei unterm Sattel geht. Er reagiert super fein auf alle Hilfen, geht spielend die Seitengänge und macht mit Begeisterung an der Hand die ersten Spanischen Schritte.

Durch Christine ist er das Traumpferd geworden, dass ich mir immer gewünscht habe.

Danke Dir, liebe Christine, für Deine klasse Arbeit, Deinen Spürsinn für jede Veränderung und das nötige Fingerspitzengefühl, für Dein unermüdliches Engagement immer im Sinne des Pferdes.

2018-06-05T22:13:15+00:00

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