Kim – von Rennpferd zum Familienmitglied

Die polnische Vollblutstute Kim, mittlerweile 16 Jahre alt, kam 2013 zu mir in den Korrekturberitt. Genaues über ihre Vergangenheit weiß man nicht, wir vermuten aber, dass die sensible und stark überbaute Stute in Polen auf der Rennbahn aussortiert wurde. Sie lief später im Schulbetrieb und wurde von ihren jetzigen Besitzern, Familie Fauser, dort gekauft – eine mutige Entscheidung.

Die Besitzer erkannten schnell, dass Kim große Probleme mit sich brachte. Sie war kaum zu kontrollieren. Als Reitanfänger waren die Fausers mit dem Pferd massiv überfordert und versuchten Hilfestellung von außen zu bekommen. „Wir mussten jedoch bald feststellen, dass die Reitlehrer, die wir fragten, keine echten Lösungen boten,“ erzählt Franziska Fauser. Mit Druck und Bestrafung wollten sie auf keinen Fall arbeiten. Die beiden begannen daraufhin, die Bibliotheken nach geeigneter Literatur zu durchforsten und stießen dabei auf die Werke klassischer Reitmeister. „In den alten Schriften fanden wir Überlegungen und konkrete Übungen, die uns auch für die Schwierigkeiten mit Kim hilfreich und logisch erschienen: Respektvolle Gymnastizierung auf Basis der Biomechanik. Also suchten wir nach einer Ausbilderin, die nach diesen Grundsätzen arbeitet.“

Als die Stute zu mir kam, war sie auf Grund ihrer psychischen Verfassung in Kombination mit körperlichen Problemen sehr gefährlich. Kim machte blitzschnelle 180-Grad-Wendungen und ging durch, ohne Ankündigung und ersichtlichen Grund. Die Stute lag schwer auf der Hand und ging mit beiden Hinterbeinen extrem breit. Das rechte Hinterbein trat immer nach rechts raus. Sie lag sehr schwer auf der rechten Schulter und legte damit zuviel Gewicht auf das rechten Vorderbein.

Die Röntgenaufnahmen bestätigten den Verdacht einer starken Arthrose in beiden Vorderbeinen, rechts noch stärker als links. Eine reele Biegung war zudem unmöglich, die Muskulatur im Hals war zu stark verkürzt.

Ich begann, die Stute in ruhiger Schrittarbeit dazu zu animieren, mehr Gewicht auf die linke Schulter zu verlagern – durch Konterschulterherein auf der linken Hand und Schulterherein rechts. Monatelang konnte ich keinen Seitengang reiten, der die Stute auf der rechten Schulter belastete – sie ging sofort lahm. Anfangs konnte ich nur ganz kurze Trabeinheiten einbauen, die Stute war sofort fest und regte sich auf. An Galopp war die ersten drei Monate gar nicht zu denken. Die Stute bekam sofort extremen Stress, sprang nur noch weg und ging durch.

Durch verstärkte Biegearbeit bekam ich den Hals nach und nach beweglicher.
Nach drei Monaten lief das Pferd fast taktrein, insgesamt war sie fast ein Jahr bei mir zur Korrektur. Nach dieser Zeit konnte ich das Pferd in allen Seitengängen im Schritt und Trab reiten, der Galopp war ruhig und sogar auf der Volte möglich.

Wir piaffierten Kim am Ende an, was ihr sehr half, sich auf ihren langen Beinen auszubalancieren. Mit dem Spanischen Schritt konnten wir ihren Raumgriff und die Schulterfreiheit verbessern.

Aber das Wichtigste: Kim ist durch die Arbeit zu einem ruhigen Freizeitpartner und eifrigen Lehrpferd geworden. Sie ist körperlich stärker geworden und hat neues Vertrauen zum Reiter gefasst. Sogar die kleinen Kinder der Besitzer können nun in den Sattel, das freut mich besonders.

 

2017-04-05T22:10:44+00:00

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